Vergaberechts-Workshop auf den Carbon- und Textilbetontagen in Dresden

Mit Vorteilen wie Langlebigkeit, Material- und CO2-Einsparungen kann Carbonbeton ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem klimagerechteren Bausektor sein. Wie interessierte Bauherr:innen, Architekt:innen und Produkthersteller:innen auf eine vergaberechtskonforme Ausschreibung mit dem Hightech-Baustoff hinwirken können, war Thema unseres Workshops „Die verfahrensspezifische Ausschreibung – Vergaberecht als Akquisitionsinstrument für Carbonbeton“ bei den 13. Dresdner Carbon- und Textilbetontagen.

Ausgerichtet vom C³ Carbon Concrete Composite e.V., der Technischen Universität Dresden und der Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer GWT gehören die Dresdner Carbon- und Textilbetontage zu den wichtigsten internationalen Fachkongressen der Baubranche. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Tobias Hänsel (Kiermeier – Haselier – Grosse Rechtsanwälte-Steuerberater-Partnerschaft mbB) stellte sich THE-C2-Geschäftsführer Thomas Henkel am 29. September der Frage: Wie lassen sich Carbonbeton-Produkte in Vergabeverfahren integrieren?

Thomas Henkel, Geschäftsführer der THE-C2 GmbH - the climate compass, spricht bei den 13. Carbon- und Textilbetontagen über die verfahrensspezifische Ausschreibung. Foto: THE-C2 GmbH / Jan Holubek

Zielworkshop als Steuerungsinstrument

Nach einer kurzen Vorstellung und einem Blick auf die komplexen Rahmenbedingungen von Bauprojekten ging Thomas Henkel auf die Zieldefinition ein: In den langjährigen Erfahrungen seines Unternehmens hpm Henkel Projektmanagement GmbH als Vergabeberater und Projektsteuerer hat er zahlreiche gemeinsame Workshops mit Bauherr:innen und Nutzer:innen durchgeführt, in denen Bestandsunterlagen analysiert, Rahmenbedingungen definiert und Projektziele erarbeitet werden. Sowohl die daraus hervorgehenden Vertragsstrukturen als auch die Zuschlagskriterien und deren Wichtungen spielen eine entscheidende Rolle für die Einsatzchancen neuer Technologien.

Produktspezifische Ausschreibung und dialogische Vergabeverfahren

Daran anknüpfend ging Rechtsanwalt Dr. Tobias Hänsel auf die Rechtsgrundlagen einer produktspezifischen Ausschreibung ein. Die VOB/A respektiert ein legitimes Interesse der Auftraggeber:in, ein bestimmtes Produkt zu verwenden oder eine bestimmte Art der Ausführung zu erhalten, wenn es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Diese Freiräume bei der Ausgestaltung des Beschaffungsbedarfs gilt es vergaberechtlich sauber zu nutzen, Vor- und Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung abzuwägen, die Entscheidung objektiv zu begründen und zu dokumentieren. Zudem ging er auf die Voraussetzungen und Vorteile dialogischer Vergabeverfahren ein.

Mitarbeit am STLB-Bau

Ergänzend dazu sprach im zweiten Teil des Workshops Dr. Gerald Faschingbauer, Geschäftsführer des Softwaredienstleisters Dr. Schiller & Partner GmbH, über die Entwicklung und Möglichkeiten der Mitwirkung am STLB-Bau – Dynamische BauDaten. Die umfangreiche Sammlung DIN- und VOB-konformer Ausschreibungstexte ist seit 1998 bei Ausschreibungen der Öffentlichen Hand verbindlich, wird datentechnisch durch die Dr. Schiller & Partner GmbH umgesetzt und herausgegeben durch DIN Deutsches Institut für Normung e.V. Aufgestellt wird sie von Arbeitskreisen des Gemeinsamen Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB), die dafür auf Praxiswissen von rund 700 Expert:innen aus Wirtschaft, Spitzenverbänden und Verwaltung zurückgreifen. Faschingbauer ermutigte die Workshop-Teilnehmer:innen, sich dort einzubringen, um Eigenschaften und Fähigkeiten innovativer Bauprodukte in die Ausschreibungstexte zu tragen.

Thomas Henkel, Geschäftsführer der THE-C2 GmbH - the climate compass, spricht bei den 13. Carbon- und Textilbetontagen über die verfahrensspezifische Ausschreibung. Foto: THE-C2 GmbH / Jan Holubek

Vorteile und Hemmnisse des Einsatzes von Carbonbeton

Aufgrund der großen Anzahl an Workshop-Teilnehmer:innen unterstützten wir die abschließende Diskussion mit einem digitalen Whiteboard. Während einzelne Fragen und Wortmeldungen am Mikrofon besprochen wurden, konnten die anderen Teilnehmer:innen mittels Smartphone digitale Karten beschriften und an die Projektionsfläche senden. So zeigte sich, dass Entscheidungen für Carbonbeton-Lösungen meist in der Grundlagenermittlung oder Vorplanung gefällt, spätestens aber zur Genehmigung getroffen werden müssten. Die Argumente für den innovativen Baustoff reichten von Material-, CO2- und Lebenszykluskosten-Einsparungen über hohe Effizienz und Geschwindigkeit, flexible und filigrane Gestaltungsmöglichkeiten, lange Lebensdauer und Nutzflächengewinne bis hin zu Vorteilen im Marketing, Innovationsvorsprung und der einhelligen Meinung: „Carbon ist sexy“. Gleichzeitig hemmen fehlende Zulassungen und Normen, Angst vor notwendigen Zulassungen im Einzelfall, mangelnde Erfahrungen und Innovationsbereitschaft sowie Terminunsicherheit und kurzfristige Mehrkosten den Einsatz von Carbonbeton durch Auftraggeber:innen. Mit dem Bewusstsein für diese Vorteile und Hemmnisse gilt es nun, vergleich- und bestenfalls quantifizierbare Zuschlagskriterien herauszuarbeiten sowie entsprechende Zulassungen und Normen anzustreben.